"Merke dir den Flug – der Vogel ist sterblich." (2011)
für Ensemble
(Auftragswerk der Hamburger Klangwerktage)

Die Komposition „Merke dir den Flug. Der Vogel ist sterblich“ für Ensemble (9 Instrumente) ist eine Hommage an die iranische Dichterin Forough Farrokhzad (1934 - 1967), eine der Ikonen der modernen iranischen Gesellschaft. Die ehrliche und in gewisser Weise sachliche Art, mit der sie uns ihr modernes Ich – mit all seinen Reizen und Konflikten – in ihren Gedichten darbietet, verleiht ihrem Werk noch heute eine besondere Aktualität, vor allem weil im heutigen Iran jenes Vakuum noch zu erleben ist, welches der Gang zur Modernität auf den Trümmern der eigenen und einverleibten Traditionen hinterlässt. Auch die faszinierende Seite dieser Leere kann man in Foroughs Gedichten wiederfinden. Die Identitätslosigkeit wird selbst zu einer neuen Identität: ihre Existenz wird nicht verdrängt, sie wird in sich selbst aufgehoben.
Das musikalische Material des Werkes besteht zum großen Teil aus sprachähnlichen Strukturen, die mit Algorithmen erzeugt wurden. Fünf Megafone dienen im zweiten Teil des Stückes dazu, aus einem gesprochenen Gewebe – gespielt mit Viola, Violoncello und Kontrabass – Momente hervorheben zu lassen, die auf einer Metaebene miteinander in Verbindung treten. Zu diesem Netzwerk gehören auch Wortfetzen aus einem beliebigen, nicht von Forough stammenden Text.
Die Verbindungen zwischen der Musik und Foroughs Gedichten sollen subkutan wirken. Die Komposition ist quasi unabhängig von den Gedichten, wird aber zu einer abstrakten Lesart ihrer Allgemeinheiten und trifft sie auf einer subjektiven gemeinsamen Wirkungsebene. Dabei ließen sich im Kompositionsprozess Eigenschaften wie Klangfarbe, Geschwindigkeit und Energiekurve von der gedanklichen und sprachlichen Atmosphäre ihrer Dichtung steuern.
Das Stück entstand im Auftrag von Kampnagel, Hamburg und wurde im Rahmen der Klangwerktage im Dezember 2011 vom Ensemble work in progress, Berlin uraufgef̈ührt.

UA: 2. Dezember 2011, Kampnagel, Hamburg
Ensemble work in progress (Berlin), Leitung:  Gerhardt Müller-Goldboom


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