Dazwischen.kalte Zeit (2009/2010)
Hommage à Forough Farrokhzad I
für Sopran und Flügel
Dieses Werk ist in der Zeit der Unruhen nach den usurpierten
Präsidentschaftswahlen in Iran entstanden und spiegelt eine intensive
gesellschaftliche Erfahrung wider, welche in der unmittelbar den
Komponisten umgebenden Gesellschaft außerhalb Irans keine derartige
emotionale Relevanz besaß. Die Fragen, die durch diese Diskrepanz
aufgeworfen werden, sind essentielle Bestandteile des Werkes, sowohl
bei seinem Entstehen, als auch bei seiner Aufführung und Rezeption. Der
emotionale Ausgangspunkt des Werkes ist mehr als nur das Produkt eines
persönlichen Erlebnisses und zugleich nichts mehr als das. Der Umgang
mit diesem Zwiespalt gelingt während er scheitert (als Notwendigkeit)
und scheitert während er gelingt (als nicht relevant).
Das Gedicht „Glauben wir nun an den Beginn der kalten Jahreszeit“ der
iranischen Dichterin Forough Farrokhzad (1934-1967) erfährt in diesem
Werk unterschiedliche dramaturgisch miteinander verbundene Arten von
Textbehandlung: Im ersten Teil werden ausgewählte Textfragmente in
einer exaltierten Manier vertont, die als Grundlage der begleitenden
Improvisation im Flügelinnenraum dienen. Im zweiten Teil wird ein
Gedichtabschnitt — eingebettet in der sich nun verselbstständigenden
Improvisation — mit einem Megafon in den Flügel hineingerufen.
Der dritte Teil beschränkt sich auf gedehnte Vokale, die im
Zusammenklang mit den von einem E-Bow hervorgerufenen Klängen eine
Neutralisierung erzeugen, welche zwischen den umgebenden
reibungsvolleren Teilen der Komposition notwendig ist.
Im vierten und letzten Teil werden Wortfetzen aus dem Gedicht mit einer
algorithmisch generierten Sprache verflochten, was zwar durch die
strengere Strukturierung einen im Vergleich zum Anfang des Stückes
gefassteren Eindruck impliziert, durch seine innere Zerrissenheit aber
eine Verwandlung des Bisherigen darstellt.
UA: 23. Januar 2010, earport Duisburg
Angela Postweiler, Sopran
Ali Gorji, Flügel